Wie entsteht Geld?
„Geld wird von Banken bei Kreditvergabe aus dem Nichts geschaffen!“
Random Mensch im Internet
Eine der vermutlich am weitesten verbreiteten „Urban Legends“ im Finanzbereich ist die, dass „Geschäftsbanken“ völlig nach eigenem Gusto Geld „aus dem Nichts“ erschaffen können. Auf den unterschiedlichsten YouTube-Kanälen wird diese Behauptung beispielsweise immer wieder in die Welt getragen – meist direkt mit dem Verkauf von entsprechenden hochpreisigen (und sinnlosen) Coachings verbunden.
Tatsächlich ist die Notenbank (bei uns eben die EZB bzw. genauer das Europäische System der Zentralbanken, kurz ESZB) die einzige Institution, die wirklich Geld „erschaffen“ kann. Doch wieso hält sich der Irrglaube, dass private Banken dies ebenso können? Die Antwort findet sich, wenn wir uns einmal anschauen, wie konkret Kreditvergabe in der Bilanz einer Bank abgebildet wird. Generell sieht die Bilanz einer Geschäftsbank wie folgt aus:

Ihr müsst euch nicht vertieft mit Bilanzierung beschäftigt haben. Wichtig sind lediglich zwei Dinge:
- Die Passivseite sagt euch, „woher“ ein Unternehmen sein Geld hat. Die Aktivseite sagt euch, „was“ es damit angestellt hat.
- Die Summe der Aktiva und die Summe der Passiva muss immer gleich groß sein
Bei der Kreditvergabe passiert nun im Wesentlichen Folgendes: Die Geschäftsbank schreibt mir die Kreditsumme von beispielsweise 100 EUR auf meinem Konto gut. Gleichzeitig bucht sie auf der Aktivseite eine entsprechende Position unter „vergebene Kredite“:

Dieser Buchungsvorgang ist das Argument der Menschen, die behaupten, dass Geschäftsbanken Geld aus dem Nichts erschaffen können, denn die 100 EUR in unserem Beispiel entstehen scheinbar wirklich „einfach so“. Hier hören dann die meisten Erklärungen auch einfach auf – denn wenn wir das Gedankenspiel weiterdenken, geht deren Argumentation kaputt 😅
Kurz noch ein Einschub: Tatsächlich kann eine Geschäftsbank nicht Kredite in beliebiger Höhe vergeben: Es muss beispielsweise eine Mindestreserve (eigentlich für Kundeneinlagen!) von 1% bei der Zentralbank hinterlegt werden. Weiterhin gilt es, bestimmte Eigenkapital- und Leverage-Vorschriften einzuhalten. Je nach Bank muss insgesamt ca. 10-15% der Kreditsumme als eine Art „Rücklage“ haben.
Jetzt wird’s wichtig: Einen Kredit holen wir uns ja nicht, um das Geld auf dem Konto rumliegen zu lassen. Wir wollen damit irgendetwas kaufen bzw. bezahlen, also das Geld entweder beispielsweise in Bar abheben oder zu einer anderen Bank überweisen. Machen wir das doch mal und schauen, was mit der Bilanz passiert:

Das Geld verschwindet vom Kundenkonto. Mist! Erinnert ihr euch an die beiden wichtigen Punkte zum Thema Bilanzierung? Aktiv- und Passivseite müssen in Summe immer gleich sein! Es fehlt also irgendwas bzw. die Bank muss irgendwas zusätzliches machen/buchen. In der Realität gibt es meist zwei Möglichkeiten:
Möglichkeit A: Die Bank nimmt die 100 EUR vom Geld, dass sie bereits durch z.B. andere Kundeneinlagen hat – solches Geld liegt (wenn nicht bereits anderweitig genutzt) „einfach“ bei der Zentralbank rum. In unserer Bilanz würde die Bank also die „Einlagen bei der Zentralbank“ um 100 EUR reduzieren. Scheinbar wurden bei der Kreditvergabe 100 EUR aus dem „Nichts“ erschaffen. Will unser Kunde das Geld aber nutzen, müssen wir dazu bereits bestehendes Geld nutzen. Es wurde also eigentlich nichts erschaffen – lediglich in der Bilanz sieht das in einem ersten Schritt so aus.

Möglichkeit B: Die Bank hat die 100 EUR eigentlich nicht. In diesem Fall würde sie sich das Geld bei der Zentralbank leihen. In der Bilanz sähe das dann so aus, dass sich die „Schulden bei der Zentralbank“ entsprechend um 100 EUR erhöhen. Jetzt wurde wirklich Geld geschaffen: Wir haben 100 EUR verliehen, die wir vorher nicht hatten. Allerdings „entsteht“ das Geld erst durch den Kredit bei der Zentralbank. Würde diese nicht mitspielen, könnte neues Geld so nicht entstehen.

Die tatsächlichen Prozesse hinter dem beschriebenen Vorgehen sind in der Realität doch etwas komplizierter als hier dargestellt. Die generelle Idee ist hoffentlich trotzdem herausgekommen. Wenn ihr dazu noch fragen habt, könnt ihr mir jederzeit eine Email schreiben oder mich auf Instagram oder LinkedIn kontaktieren 🚀